exempla Literaturzeitschrift | VERWERFUNGEN Jahrgang 29 – Band 2003 | Seite 84, 85

Noch etwas für Musiker:

* Siegfried Wekenmann
Sanfte Krümmung

Das A ist Archetyp, ist Anfang, so wie das C (Cäsar) zur Achse will, und das Fis (Finsterenis) in der Mitte antipodischer Tiefdruckwirbel ist. Das B (Bau) hat Organisationsgeist. Es zieht zusammen und hält auseinander. Das H vertritt pragmatisch Kontinuität, wodurch es zum bedingunslosen Zuträger von C wird.
B wähnt sich durch seine technische Intelligenz bedeutungsfrei. So macht sich das Cis in die andere Richtung Platz, wobei es aber trostlos weit zum Anfang ist. Das E und das F gehen eine Symbiose ein. Das Es drängt in die Areale, wo Cis und die Symbiose E und F nicht hingelangen, weil H und C eine Mauer gebaut haben. Das D wirft der Es-E-F-G-Konförderation nutzloses Spielen mit Tönen vor, hält sich jedoch selbst immer im Schatten von C, wogegen das Cis in Sieben-Meilen-Schritten fremde (Register-)Räume absucht. Aber überall war das H schon da, wodurch dann Cis entgegen seiner eigentlichen Absicht diese Dominanz des Cs nur weiter mit ausbaut.
Das A, das von Anfang an dabei war, erhebt warnend seine tiefe Stimme, denn es übersieht nicht, daß alles nach oben strebt und daß der alleroberste Platz auf dem Klavier ein C ist. Aber das A wird von der Allianz C und H sublimiert, denn C weiß wohl, daß A außer B der einzige Ton ist, der auch acht Plätze auf dem Klavier hat. Die Konförderation und alle anderen, haben nur sieben. Das A ist Architekt des Unveränderlichen, und fadenscheinig stiehlt sich das C die Auslegung, um den Botschaftsträger von A, nämlich B, aus dem Rennen zu schlagen. Das C besteht auf seinem Machtanspruch, weil es am Schlüssel ist, wo es sich im Zentrum des Stückes auch ausschließlich hin begibt. Da ergreift das Fis seine Chance und nimmt einen Zwischenraum ein und sendet verbotene Wellen aus.
Aber der Sachverhalt „Mitte" bleibt unüberwindlich wegen dem labilen Gleichgewicht, und nichts mehr kann den dröhnenden Imperialismus des Cs aufhalten. Da hilft auch die System-Architektur des Bs nichts mehr, und auch nicht die Tatsache, daß von C alles wegstrebt, was nicht C ist (Das H ist ja schließlich der Leitton). Nur das A bleibt, was es war, denn es war schon von Anfang an da, und ohne A gäbe es nicht einmal ein Alphabet, und außerdem hat es auf dem Klavier den tiefsten Platz.

* geb. 1955 in Ulm; Pianist und Komponist. Musikstudium in Stuttgart und Freiburg. Konzerte. Musikalische Erforschung des Ostens.