PROSTITUTION

Der gesellschaftliche Umgang mit dem „ältesten Gewerbe der Welt" ist durch eine Doppelmoral geprägt. Die Kirche verdammt die Prostitution als schwere Sünde und die weltliche Obrigkeit verbot sie bis vor kurzem noch als „sittenwidriges Geschäft". Gleichwohl kannte die alt-niederländische Malerei als Untergattung des Sittenbildes die „bordeltjes", deren Drastik beim Publikum lebhaften Zuspruch fand. Als jüngst die Stadt Köln eine „Vergnügungssteuer" einführte, blieb der Karneval als „Brauchtumspflege" davon ausgespart, Bordelle jedoch sollen künftig pro Quadratmeter „Nutzfläche" eine Gebühr abführen. Ein Bordelier kündigte daraufhin an, sein weibliches Personal fortan als Funkenmariechen zu kostümieren, um die Steuer zu umgehen. Schäbige Ausbeutung des weiblichen Körpers durch brutale Menschenhändler und Zuhälter oder „sexuelle Dienstleistung", die nach einer Statistik der Gewerkschaft ver.di in Deutschland täglich von 1,2 Mill. „Freiern" in Anspruch genommen wird - an der moralischen, kriminologischen und ideologischen Bewertung der Prostitution scheiden sich immer noch die Geister. Als die beiden Berliner Künstler Elke Grundmann und Sigismund Urban eine Mail-Art-Aktion zum Thema „Prostitution" durchführten, bekamen sie 726 Beiträge aus 36 Ländern zugeschickt. „Eine Resonanz, die weit über die übliche Beteiligung an Mail Art-Projekten hinausgeht", bilanziert Elke Grundmann. „Klischees wurden sensibel und differenziert hinterfragt." Die Ausstellung mit den Einsendungen war kürzlich im Stuttgarter Kunstverein zu sehen und sollte zu einem „Umdenken" beitragen, „damit in unser aller Interesse Gewalt und Kriminalität im Berufsalltag der Prostituierten keinen Platz mehr finden."
 
 
 

kunstforum
band 169 maerz - april 2004
seite 403