LUZYSHOW
1. Kapitel: New York City
Abreise
Am 1. Januar 1994 holte ich mir in Untertürkheim
"Die Tageszeitung", die "taz" im Tabakwarenladen. Als ich sie las, wurde
mir übel: das ist ein Zustand in der Seele. Ich las: In Chiapas ist
ein Konflikt. Warum berührte mich das? Ich lebte in Untertürkheim
unbescholten. Es gab Auseinandersetzungen im Haus über Musik, Jugend
war eingezogen! Ein Telefonkabel war außen an der Hauswand ohne vorherige
Erlaubnis des Vermieters für uns gelegt worden! Die Türen schlossen
nicht! Die Gashauptleitung hatte ihren Haupthahn in unserer Wohnung in
der notdürftig ausgestatteten, doch hoch vermieteten Wohnung! Das
hatte ich nicht bemerkt beim Abschluß des Mietvertrags! Nun wurde
behauptet! Ich dürfte die Wohnungstüre nicht schließen,
damit bei Notfällen! Jeder hineinkönnte! Ist das nicht unter
aller Sau! In derselben Ausgabe der Zeitung wurde Bob Dylan als humanitärer
Sänger unserer Zeiten angeworben! Ein Bild von ihm, aus frühen
Bühnenaufführungen zeigte sein junges Gesicht. Der Bericht über
Dylan war natürlich im Kulturzeil der damals ums Überleben kämpfenden
deutschen Mitteilung, die täglich herauskommt! Die Tageszeitung ist
deshalb erwähnenswert, weil sie als Initiative in Frankfurt begann!
Es ist keine gewöhnliche Papierproduktion: dies war vor der Zunahme
von online LeserInnen! Es kam eine Sympathie für den Barden zum Ausdruck!
Er war natürlich kein Deutscher. Überfremdung? Bei Dylan wird
da gerne eine Ausnahme gemacht! Es wurde deutlich, daß er noch lebte.
Es wurde eine Parallele gezogen zwischen seinen neueren Liedern und dem
homeless Problem. Auf anderer Seite wurde das Problem der Heimatlosen in
den USA vorgestellt: ein krasser Gegensatz! Wallstreet und downtown New
York. Beide Stassen lernte ich später als Augenzeugin kennen. In der
Folge studierte ich Bob Dylan und gleichzeitig mehrere Berichte in der
"Frankfurter Rundschau" dieser Wochen über Nord-Süd-Konflikte
in den amerikanischen Staaten auf dem fernen Kontinent. Ich machte mir
Notizzen und zeichnete Tote, die von den Regierungstruppen von der damaligen
mexikanischen Regierung erschossen worden waren. Diese Notizzen wurden
gestohlen. Das Problem des Analphabetismus der dortigen Region lag an fehlenden
Schulen! Hunger herrschte dort in großem Ausmaß! Meine Liebe
zu Frieda Kahlo, die mexikanische Malerin mit dem schweren Schicksal, und
Neugier auf die Reste ferner, vergangener Kulturen bewegten mich, zu handeln.
Frauen sind in der Literatur etwas früher
angenommen worden. In der Malerei ist Frida Kahlo die erste Künstlerin,
die in den deutschen Akademien unter klassische Moderne hineingenommen
wurd
In jener Zeit gewöhnte ich mir an,
Tagesprobleme der Welt mit Kollagen, die ich übermalte, zu verarbeiten!
Irgendwie bewegte es im Innern als Respons zu nicht zu bewältigenden
Gegenwartsproblemen! Die Hilflosigkeit angesichts großer Ungerechtigkeiten
wurde etwas abgebaut! Meditativ kann der Mensch ebenso spurlos mit jeder
Problematik heilend umgehen. Das Gebet und das Studium heiliger Schriften
hilft ebenso. Wenn ich schon nicht mit Taten dort helfen kann! So kann
ich trotzdem Bezug nehmen und mich äußern in der Kunst. Ob Anteilnahme
in weit entfernten Ländern helfen könnte? In Gesprächen
im Ausland bemerkte ich allerdings, daß Mitgefühl etwas bewirkt
hat.
1992 war überdies mein Zeitvertrag
bei der Fachhochschule Nürtigen im Fachbereich Landschaftsarchitektur
bei Professor Evers abgelaufen. Auf der Suche nach Sponsoren und Verlegern
für das "Ahornblatt"! In dem ich meine Stellungnamen nach vor Ort
Ansicht veröffentlichen wollte: es ist ein im Eigenverlag erschienenes
deutschsprachiges Blättchen gewesen. Kontaktierte ich den "Zweitausendeins"
Verlag und erhielt die Zusage des Interesses für Spurensuche von Highway
61. Auch die "taz" gab mir eine Faxnummer, um gegebenenfalls Nachrichten
an sie zu senden. Ich hatte vor USA Künstler zu gewinnen. Ich kam
bis vor die Tür und klopfte an. Bis heute ist es mir nicht gelungen
mit Dylan selbst ein Gespräch zu führen über dortige Problematik!
Jedenfalls ist es sehr schwer zu solche einem Star persönlichen Zutritt
zu erreichen! Das Gespräch hat nicht statt gefunden!
Garcia traf ich in den "Wetlands", bevor
sie letztes Jahr geschlossen wurden an. Künstler aus dem Umfeld von
Dylan wurden Freunde. Jazz und Rock wurden neue Freunde. Klassische Musik
ließ wurde weiterhin berücksichtigt: in der Musik lernte ich
viel dazteirdirde wichtigsten Dokumente zusammen und fuhr los. Zu Hause
wurde nicht alles ordentlich hinterlassen. Mit der Absicht, in 4 Monaten
zurückzukehren, verließ ich Deutschland.
Das Flugzeug landete in New York. Mein
Ticket hatte ich in der Hand. Der Pass lag dabei. Es war eine Zollkontrolle.
Die Reisenden gingen gesondert nach Europäischer oder Amerikanischer
Staatsangehörigkeit durch die Kontrolle in JFK. Der Flugplatz ist
nach dem Demokratischen Präsidenten John Fitzgerald Kennedy genannt.Seine
Initialen stehen da: JFK.
Ein Gepäckträger fragte mich
in der Nacht mit düsterer Stimme: „Wo gehst du hin? Junge Frau!“ Er
war schwarz und trug ein Livree. Da konnte ich zuerst keine formale
Antwort finden. „Ich weiß es noch nicht...“ Sagte ich einfach zu
ihm und gab ihm für seine Dienst mit dem Gepäckwagen, den er
mir zuschob, einen Tip (Trinkgeld). Durch den Zoll ging ich allein. „Nichts
zu verzollen“ stand auf der grünen Einreiseerklärung und es stimmte.
Ein Stempel im Pass markiert das Datum: 18. Februar 1994. Am Gepäckband
hatte ich alles aufgeladen, was mir gehörte. Das ist gar nicht so
einfach, die Gepäckstücke rechtzeitig zu greifen! Dann verließ
ich die Ankunftshalle und fand die Information in JFK: zwei junge Herren
hatten Nachtdienst. Sie gaben mir Rat, wo gut und billig in New York
zu übernachten war. Sie gaben mir einen Zettel auf dem stand, wo ich
hin mußte. Ich verließ die Eingangshalle. Draußen nahm
ich ein Taxi und sagte dem Taxifahrer, wohin ich wollte: „Grand Union Hotel,
bitte!“ „Wo ist das?“ Fragte er: er war ruhig. „Das ist in Manhattan, Sir!“
Sagte ich ihm und nahm übermüdet einen Geldschein für die
weite Autofahrt. Ich trage es immer in der Gürteltasche, wenn ich
auf Reisen bin. Angekommen zahlte ich und ging in das „Grand Union“.
Es war menschenleer. Der Portier erwachte, gab mir das Formular der Anmeldung
durch das Panzerglas auf einer Drehscheibe in seinem Empfangsbüro
und fragte nach Geld: „Es kostet achtundfünfzig USD per Nacht...“
Sagte er widerwillig zu mir. `Das geht ja noch; soviel hab ich ja!´
Dachte ich und zahlte. Über den Aufzug des Mittelklasse Hotels erreichte
ich das Zimmer Nummer 18. Ich schloß von innen ab. Völlig erschöpft
sank ich in Schlaf. Am Morgen erwachte ich müde. Draußen am
Trottoir wartete eine Limousine. Wir fuhren aufs Land. New York ist wie
das Salz im Frühstücksei am Morgen! Der Wind belustigt in New
York. Tiefe Waldseen laden ein zum Baden. Freunde boten uns Lunch auf der
schattigen Veranda an. In der Nähe von Bernstein, einem Freund von
DuVal. Auf einer Vernissage „Woodstock“, im Village mit dem Fotographen
Michael Lundi, den ich später im Woodstock Studio mit seiner Frau
näher kennengelernt habe, wurde ich wieder vielen Leuten vorgestellt.
Sie lebten in Saugerties.Vor dem Gebäude, in dem die "Woodstock" Aussgellung
von Lundy eröffnete, wurde ich Michael Lang vorgestellt. Er ist ein
großer schlanker Herr mit guten Manieren. Er ist dezent und
verschwiegen. Seine Treue zu seiner Gefährtin, die sehr schön
war! Mag ihn bewogen haben, mich links liegen zu lassen. Obwohl ich
direkt aus Europa kam, war Michael damals nicht genug kommunikativ in Sprache,
um mit mir über aktuellste Ereignisse in der Europäischen Union
zu sprechen: wir saßen einander gegenüber, lächelten uns
selten an und tranken von dem japanischen Reisschnaps, der in die Knie
geht! Es wurde geplaudert. Dort aß ich zum 1. mal diese köstlichen
New Yorker asiatischen Reishäppchen, die sehr frisch aus Seefisch
und Reis zubereitet auch des nachts nicht belasten! Der Genuß der
Speise tat mir wohl. Ich wollte ihn eigendlich was fragen: ich traf ihn
nie wieder. Auch bei der Verabschiedung gelang es mir nicht, einen Strang
der ewigen Kommunikation zu winden. Vielleicht war es der Name meiner Heimatstadt
Stuttgart, der ihn abschreckte? Stuttgart ist mir bekannt seit 1969: meine
Eltern zogen dorthin, weil sie dort Arbeit gefunden hatten. Als ich dort
war, begann in den frühen 70-gern diese Großstadt meine Heimat
zu werden! Im Vergleich ist Stuttgart natürlich eine Kleinstadt! Die
Millionenmetropole hat mit der Schwabenmetropole vieles gemeinsam: Verkehrswege,
öffentliche Verkehrsmittel, Recht und Ordnung: nur das Klima ist anders.
Wenn ich mich in New York zu Wort meldete,
mit duVal zum Beispiel, hatte die Wirkung des Wortes „Stuttgart“ nicht
immer den Effekt, den ich erwünschte! Man kennt es nicht häufig.
Wenn es bekannt sein würde: dann als Mercedes-Chrysler town.
Erste Tage
Die Stadt kam mir am Flughafen JFK sehr
belebt vor; die Atmosphäre gespannt. Das kannte ich nicht. Ich gewöhnte
mir vorbehaltloses Vertrauen an. Das NewYork vor dem Schicksalstag 11.
September war voller versteckter, ungelöster Probleme. Der Photo Gear,
Musikinstrumente, Schreibzeug, Zeichenstifte, Malutensilien kamen mir zu
Gute, um das Neue, das die Stadt bietet, immer in irgendeiner Weise zu
verarbeiten! Das künstlerische Treiben der Weltstadt nahm mich gefangen!
Klippen von unvorhergesehenen Ereignissen blieben nicht aus! Die ersten
Tage filmte ich. Die Müllabfuhr früh morgens um 5! Da schoß
ich ein Photo. Das Geräusch der klappernden Mülltonnen als Signal
am Morgen bedeutete:„Wir-arbeiten-auch“! Die neue Orientierung in New York
dauerte eine Weile.Ich ging in die City Hall um mich vorzustellen. Ich
stellte mich im Kulturamt vor. Ich rief die Gewerkschaft an. Ich ging in
die Kirche. Die Letterman Show sah ich dort jeden Tag an: sein Humor überzeugte
mich! Ich gab mein Geld nun dort aus. "Newsweek" brachte einen Artikel
über Dylan. Ich gab eine Bewerbungsschreiben mit Photo in Dylans Plattenfirma
ab. An den Knopf Verlag schickte ich ebenso ein Bewerbungsschreiben. Ich
arbeitete mich ins amerikanische ein: es ist schwierig aus der geübten
Schriftsprache in die gesprochen Sprache hinein zu kommen! Früher
hatte ich Virginia Woolf ins deutsche übersetzt (nicht veröffentlicht).Ich
begann mich wohl zu fühlen. Von Kahlo fand ich Handzeichnungen in
Manhattan: sie zeichnete besser als ihr Mann. Die Nähe zum Lincoln
Center lotete ich zu Fuß aus und filmte hin und wieder. Lokalzeitung
war nun die "New York Times"! Der Chiapas Konflikt war schon etwas abgeklungen.
Ich fand Nachrichten darüber im Innenteil. Im Deli gab es Obst, Gebäck,
Milchgetränke, Sandwiche: die Qualität ist sehr hoch bei "Kaplan´s".
Musik
In der Zeit spielte ich viel Musik. Eine
freundliche Atmosphäre entspann sich unter den jungen Musikern: eine
Gruppe bildete sich um einen Mann aus Philadelphia. Es entschieden sich
immer mehr, mit ihm zu üben. Dort lernte ich Aaron kennen, der uns
zu sich hinter dem Lincoln Center zu einer Probe eingeladen hatte. Später
übten wir im Hilton, wo zu einem Arbeitslunch eingeladen worden war.
Moses, der diese Band geleitet hat, hatte viel im Rap musiziert. Mit ihm
hatte ich unterwegs im Village vor dem "Sidewalk" ein intensiveres Gespräch,
als er unerwartet einen Rechtsanwalt gebraucht hatte! Aaron spielte die
Flöte: wir konkurierten ein wenig. Ein anderer aus dieser kurzzeitigen
Szene kam dann groß raus: er erzählte mir, er hätte einen
Vertrag bekommen! Eine Band aus New Jersey lud mich zu einem Arbeitswochenende
zu sich ein. Am Montag machten sie eine Plattenaufnahme im Radio City Hall.
Ich war dabei: es ist eine große Vertrauenshaltung zwischen diesen
Musikern dort. Einer Einladung nach Harlem ins "Anarchie" konnte ich nicht
folgen: ich fürchtete mich allein in dem Centrum der Schwarzen. In
diesen Tagen und Wochen spielte ich ein Open Mike mit John, dem Saxophonisten:
Free Jazz. Kompositionen und Gedichte entstanden! Es war eine lebhafte
Musikszene in New York. Mit der Flöte in der Hand lernte ich auch
Woods kennen: ein Beatle Verehrer. In Long Island kochten wir in seinem
Häuschen ein gemeinsames Abendessen: Kartoffeln und Zwiebeln. Obwohl
wir uns zerstritten haben, kommt mir sein Vertrauen in mich auch in der
Erinnerung als eine große Ehre vor. Da die Flöte so laut ist,
wenn sie in vollen Stücken gespielt wird, spielen im Sommer Flötisten
gerne unter freiem Himmel. Das tat ich auch. Ronny Sunshine und ich gingen
an einem Jazz Wochenende in NYU in ein Klarinetten und Schalmeien Konzert.
Er beschäftigt sich sonst vorwiegend mit Auren Photographie und zeigte
mir eine Handschrift von einem der Beatels, die er an der Wand hängen
hat in seinem Riverdale Appartement. Ein anderer Integrationsfaktor war
die Bekanntschaft mit Michael, der in der Presse überall tätig
gewesen ist: auch er erzählte mir eine traurige Scheidungsgeschichte.
An einem Sonntag hatte er sein Kind aus geschiedener Ehe bei sich. Dieser
Michael ist auch von Riverdale gewesen. Riverdale ist in der Bronx. Ein
Besuch bei einem berühmten Komputerkomponisten in seinem Studio nicht
weit von Sheap Meadow konnte ich einige freie Kompositionen in seinen mit
einem Mikrophon ausgestatteten guten fachmännisch geführten Musikkomputer
eingeben! Er sagte mir: "Ellen! Du bist gut." Mit jeder Melodie, die neu
ist, kann ein Komponist neue Stücke schreiben. Rhythmen, die wiederholt
werden, werden nicht neu geschaffen: dazu kommt dann der neue Text. Diese
inspirativen Kontakte haben mir wohl Ansehen in New York gebracht. Nicht
allein Schirm, Charm und Hut; sondern ständiges Neues reden, begleitet
von Melodien, öffnete mir Tür und Tor. Jahrelange verschwiegene
künstlerische Schaffenszeit brachte mir dort einen Schlüssel:
Musik. Es war etwas schwer musikalisch in die Trommelsessions der Greatful
Dead, die wöchentlich 2x in den "Wetlands" geübt hatten: Selbst
beim Konzert mit Jerry Garcia, der mir die Hand gab; das gefilmt worden
ist, konnte ich spüren, wie starker Rhythmus eine freie Melodie einläd,
die selten im Rock´N Roll zugelassen würde. Es kostete viel
Durchsetzungskraft, besonders dort, Antipathien auszuhalten! Die Unterschriftenlisten
gegen und für dies und das (Regenwald z.B., Amnesty International,
u.a.) unterschrieb ich gerne. Einer der Songs, die dort entstanden sind,
ist der "Rainsong". Der "Rainbowsong" wurde dort ebenso von mir inspiriativ
entwickelt: ich spielte ihn besonders gerne etwas abseits von den vielen
Trommeln. Das teure Instrument, das ich damals gespielt habe, wurde mir
von Wood aus Long Island auf Jazz Flöte durch Öffnen der Tasten
(Open Hole Flute) angepasst. Wir spielten eine Menge Sessions mit Open
Hole Flute als 2. Flöte. Die Bluestonleiter lernte ich von Allan Murphy.
Er machte mich auch darauf aufmerksam, daß manche Tonfolgen verboten
worden waren! Mit John Harold spielte ich dann eher im Hintergrund, auf
der Veranda, wenn er vorbeikam Folkmusik! Mit der Kamera wurde ich durch
ihn auf Pete Seegers Konzerte am Hudson und in NY Albany geführt:
diese Aufnahmen geben wieder, wie Volksmusik eines alten Kämpen mit
Chören, Begleitung viel Freude machen kann! Zwei Flöten spielten
wir auch im Dharma Cafe (in Woodstock) bei einem Gedichte Abend dort. Zwei
Flöten spielen selten unrein. Es kommt auf das Feeling an. Open Mike
auch im Tinker Street Cafe. Damals lernte ich intensiver im Hintergrund
von Gitarrenmusik zu musizieren! Soli machen auf Dauer etwas müde.
Schwochert brachte mir das bei: im Dichten geübt, hatte er viele Volkslieder
auf Lager. Üblicherweise wird viel gesungen in dieser Gegend: auf
Plätzen hatte ich viele Begegnungen ad hoc, um Musizieren mit anderen
ohne Üben i h r e r Songs zu üben: Stehgreifspiel sozusagen!
Es erfordert von Musikern größte Vorsicht, die sich in Respekt,
Anteilnahme, Mitgefühl und Anpassungsfährigkeit ausdrücken
muß! Nur so kann ich mir die Aufnahme bis in die Band von Woodstock
erklären, mit denen ich allerdings direkt n i c h t gespielt
hatte. Ihre strenge Ordung konnten sie nicht mehr ändern: Frauen spielen
kaum in Rock´N Roll Bands der alten Woodstock Zeit. Eine schöne
Ausnahme machen da die Dharma Bums. In dem Woodstock Festival von ´94
spielte ich mit einer ad hoc Band auf der Bühne. Sie kamen von Upstate
New York. Lampenfieber hatte ich mir in New York abgewöhnt.
Open Air
Vagabundieren ist in New York verboten.
Selbst in Parks kontrolliert die städtische Polizei täglich.
So gesehen ist New York sicher! Trotzdem gibt es Vagabunden in New York.
Einer von ihnen hatte einmal Zeit, sich mit mir zu unterhalten. Einige
Menschen, so dachte ich damals, sind nicht von der Telephonitis angesteckt:
es sind Vagabunden. Dadurch haben sie ein normales menschliches Verhalten
erhalten. Obwohl diese Bemerkung unangenehm für uns moderne Menschen
sein mag! Es besteht bei den meisten von uns kein Gegenbeweis! Daß
wir weniger kommunikativ als ein Mensch o h n e Kommunikations
m i t t e l sein k ö n n t e n? Es ist ohne Widerspruch! Daß
wir so freimütig nicht sprechen könnten! Freimut allerdings,
ist keine Qualität im Corporate America noch Deutschland zu reüssieren:
man muß sich anpassen. Da sagt der Chef dies, die Chefin das und
es wird genickt. Das ist Anpassung (an den Job). Ganz ohne Anpassung geht
es auch bei den Vagabunden nicht zu. Seine Position in der Mitte der Stadt
war gediegen, für seine Verhältnisse. Was heißt das für
Vagabunden? Es bedeutet Bezüge sind da. Eine Anlaufstelle im Netzwerk
der New Yorker Städtischen Seniorendienste gab ihm Hilfe, die er wohl
brauchte. Die Leiterin dieser Initiative bot mir sofort einen Job als Musikerin
an. Dazu kam es dann nicht mehr. Der Homeless hatte eine lange Geschichte
zu erzählen, die ich hier nicht nacherzählen würde. Unter
freiem Himmel erzählte er gute stories. Der Sinn der Erzählung
könnte ohne warnendes Beispiel keinen Sinn ergeben! Er ist ein lebendes
warnendes Beispiel. Ganz ohne Bezüge kommen sie nicht durch. Dafür
raffen sie sich auf und halten Termine ein. Im Leben ist ihnen nie das
gelungen, wovon sie geträumt haben! Mit ein Grund, mit Mitleid sie
zu sehen. Ihre Ausgangspositionen sind unterschiedlich gewesen! Beileibe
sind sie nicht alle aus armen Häusern! Aber sie kommen nicht durch,
ohne Bezüge. Sie haben keinen Selbstrespekt. Die üblichen Süchte
unserer Zeit haben sie gepackt und nicht losgelassen! Irgendwie träumen
sie immer vom Chef sein und Befehle geben! Sie ducken sich beflissentlich
für niedere Dienste und tuen hochgestochen, wenn sie Geld in der Tasche
haben! Ihre Gesichter sind Zeugen der Versagung: ihnen kommt wenig Gutes
zu im Leben.
Um ein gerechter Zeitzeuge sein zu können
ist es unerlässlich Höhen und Tiefen des späten Spätkapitalismus
zu erforschen. Das eine Wende kommen würde, lag in der Luft. Da die
westlichen Kapitalmärkte und die östlichen in einem Weltmarkt
zusammen arbeiten (als Geldfluß), besteht kein Grund zu bezweifeln,
daß es spät ist. Die Wende ist gekommen. Wenden dauern immer
etwas länger als einzelner in ihren Ländern vermeinen zu bemerken,
wenn etwas schnell gegangen war. Trotzdem ist es ein erschreckendes Erlebnis,
wenn eine Wende gekommen war: die Erinnerung wendet dann die Erfahrung
in langsame Geschichtsprozesse um. Zum Beispiel die Degradierung der Monarchie
in Frankreich dauert noch fort. usw. Das erschreckende Erlebnis ist vorbei.Arme
Leute gibt es in jeder heutigen Gesellschaft. Was ich herausfinden wollte
ist: Wie denkt das Volk dort eigendlich? Es denkt genauso wie hier. Allerdings
benutzen sie dort amerikanisches Vokabular. Das Schöne zu bewundern,
ist nicht ihre Spitzenleistung. Ihr persönlicher Jammer lässt
sie kalt: sonst würden sie sich um sich selbst kümmern. Wodurch
kommt das? Die Seele eines armen Mannes ist genauso jammernd wie die eines
reichen. In der Seele bestehen keine Unterschiede: ob Armut oder Reichtum
vorherrscht in materiellen Dingen. Bereichtert sich der Mensch seelisch,
sieht es ihm niemand an, ob er reich oder arm sein würde. Eine auffallende
Unterschiedlichkeit unter etablierten und nicht etablierten Menschen ist
verminderter E-Smog: sie sehen kaum fern, benutzen keine Handy, verwenden
keine E-Mail zur Kommunikation und haben kein Satellit Fernsehgerät.
Dadurch sind sie in einer anderen Kategorie in der Seele. Seelische Schwächungen
durch technische Kommunikation trifft auf sie nicht zu! Sind sie deshalb
besonders wach? Andauernde Geldsorgen, meistens von Tag zu Tag, quälen
sie. Das fällt bei den Etablierten flach. Die Hygiene, auch der Seele,
ist ihnen kaum bewußt! Ein Buch ist für sie ein wiederverwertbarer
Gegenstand, nicht nur ein geistiger Inhalt, den sie schätzen würden!
Die Verwirrung der Fortpflanzung ist ihnen oft nicht gegenwärtig!
Verantwortung für Kinder, können sie sich nicht vorstellen! Ob
es Männer sind, oder Frauen hat in der biologischen Konstitution einen
entscheidenden Unterschied.
Assistenzstelle bei Aristides in
Manhattan
Als die Maisonne schien, ging ich mit
Einladung eines pensionierten Bühnentänzers, der in einer Gruppe
meinem Flötenspiel gelauscht hatte, auf das 1994 Jazzfestival am Lincoln
Center: ein Open Air. Er stellte mir dort Aristides vor.„Ihr müßtet
euch verstehen!“ Meinte er verschmizt: „Er ist Regisseur.“ Aristides und
ich verstanden uns vorläufig gut. Er ist angesehen und hat sich verdient
gemacht, die Bandshell im Central Park zu restaurieren. Er ist hoch gewachsen
und schwerfällig. Etwas schütternes Haar macht ihm zu schaffen.
Er ist blauäugig und blöndlich. Das Haar trägt er schulterlang.
Er brachte mich nach Hause.Wir redeten bis vor die Tür. Er war Sohn
eines Opernsängers und lebte geschieden: jedenfalls getrennt von seiner
Frau. Er sagte: „Meine Tochter hält mich am Leben; sie ist mein ein
und alles! Sie lebt auf Long Island.“ Er hatte Tränen in den Augen:
„Die Frau! Sie will sie mich nicht sehen lassen!“ Das ist ja nun eine öfters
wiederkehrende tränenrührige Geschichte. „Wie heißt sie
denn?“ „Nur Melody! Sie ist sehr begabt!“ Wir redeten über Kinder
in geschiedenen Ehen. Er fragte mich:“Willst du bei uns mitmachen?“ „Was
tust du denn?“ „Wir machen jede Woche einen Videofilm und geben ihn ab.
Er wird dann gezeigt. Es ist der Public Access New York Sender! Wir haben
ihn in den 70gern hier gegründet. Der Sender kämpft ums Überleben!
Willst du nächste Woche mit mir in eine Filmvorführung gehen?“
Er tat mir leid: getrennte Ehen mit ungeklärtem Sorgerecht für
die Kinder, bringen einen immer in eine unangenehme Situation! Warum die
Scheidung angesagt ist, kommt meistens nie heraus. Auch das Recht, die
Kinder zu besuchen, wird nicht immer in klaren Zügen eindeutig entschieden;
so daß Zweifel über die Gründe zwischen den später
Hinzugekommenen übrigbleiben! Da Kinder aus getrennten, geschiedenen
Ehen selten dabei sind! Blicke ich da nicht durch. Ich sagte zu. Er war
unter den dortigen Filmemachern ein angesehener Mann. In Manhattan sahen
wir einen holländischen Film. An dem Ort wurden Erstvorstellungen
gezeigt. Das Thema einer Kommune in einer holländischen Mühle
wurde unter dem Aspekt der Prostitution filmisch festgehalten. Der Film
war ein amerikanisches Werk. Wir saßen in der ersten Reihe. Aristides
war ein Insider. Die ältere Szene der Hippies kannte ich aus meinen
Jugendtagen. Mit ihnen hatte ich mich länger nicht beschäftigt.
Haschischkneipen, restaurierte Wohnhäuser, viel Musik: Rock ´n
Roll in einem Dokumentarfilm. Der Cineast schien etwas befremdet zu sein,
daß keine Begeisterungsausrufe von mir zu hören waren? Die Problematik
der Subkultur hatte ich eine Weile ad acta gelegt: etwa 19 Jahre lang war
ich an ihr vorbeigegangen, ohne Berücksichtigung. Aristides war in
einem AA-Programm gegen Drogen und Alkohol: er las regelmäßig
diese AA Statuten zum Frühstück. Er machte einige akkustische
Aufnahmen meiner Musik in seinem Studio. Er war wie viele von meiner Musik
begeistert! Es ging eine beruhigende Wirkung davon aus. Er lebte in Manhattan
nahe Central Park und wirkte wie ein Junggeselle im Alter. Er las hin und
wieder.Bücher liebte er über alles. An technischen Geräten
bastelte er gerne herum. Zu seinen Aufgaben gehörte auch Talentsuche!
In vielen kleineren Restaurants spielten unbekannte Bands, die er zur Anhörung
aufgesucht hatte.Diese Gänge machten wir dann zusammen in der kurzen
Zeit bis August des Jahres.Immer wieder spielte ich für ihn Kompositionen
in der Nacht, wenn New York besonders schön ist unter freiem Himmel.
Seine Vergangenheit war etwas dunkel: entweder hat man in seinen Vierzigern
einen klaren Kopf und spaziert in seinem Leben wie in einem Buch herum?
Oder es entstehen dunkle Flecken! Einmal zeigte er mir die Kirche, in der
Kennedy gewesen war. Wir saßen hinten auf einer stillen Bank, während
ein Priester nach der Messe die Geräte weggeräumt hatte. Er erzählte
von dem großen Ereignis! Jacqueline Kennedy Onassis hatte ihn sehr
beeindruckt: sie lebte damals noch in Manhattan in einem Pflegeheim. Als
sie starb, betrauerten wir ihren langsamen Tod durch Lungenkrebs. Da war
ich dort gewesen.Die Stimmung hatte sich für eine Weile verändert.
Ihre photographische Profession hatte die Kennedy-Onassis dem Präsidenten
geopfert. Trotzdem ist ihre Kunst sehr in den Vordergrund getreten. Eine
andere große Persönlichkeit, die schon vorher in New York gestorben
war ist John Lennon. An seinem Gedenkplatz in Central Park werden gerne
Blumen niedergelegt. Sein Mord ist ebenso wie der Kennedymord eine dunkle
Sache. Da ich dessen Schicksal nur unklar gekannt habe? Ließ ich
mir gerne erzählen, wie er dort herumgegangen war. Diesem legendären
Leben konnte ich meine Bewunderung nicht entziehen. Nicht Ruhm allein!
Können haben beide New Yorker gemeinsam. Da bei John Lennon beides
in einem bemerkbar gewesen ist, spürte ich deutliche Bewunderung unter
Künstlern in Manhattan für den Lord. Ein anderer noch lebenderWeltstar
ist Bob Dylan. In der Zeitung konnte man von seinem Aufruf, das Woodstock
Festival mit seinem 25jährigen Bestehen der Woodstock Nation in großer
Feierlichkeit und Würdigung zu begehen!Die Spalte der „Newsweek“ (Februar
94) hob ich eine Weile auf. In einem Telefonat mit der Wochenzeitung wurde
mir empfohlen, rechtzeitig Tickets zu bestellen! Das tat ich dann ja. Es
entwickelte sich langsam ein Übergang ins Filmische. Allerdings dauerte
es noch eine kleine Weile. Die Menschen wachten irgendwie auf für
den Sommer! Auch in Gesprächen mit Aristides konnten wir die Vergangenheit
(25 Jahre) rekapitulieren: Wir verglichen Europa mit den USA in einigen
Gesprächen und kamen zu keinem Schluß.Ohne Zweifel hatte er
Schwierigkeiten Zeitspannen zu erinnern.Meine Erinnerung umfasst meine
frühe Bis hierher abgespeichert und diskettiert am Wednesday, January
29, 2003.