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Artikel aus der Stuttgarter Nachrichten vom 10. 06. 2002 von MARKO SCHACHER
Einmal Stuttgart-Prag, bitte: Das Projekt "Wechselstube"
Der Charme des Provisorischen
Versuche, Stuttgarts Kunstinstitutionen zu vernetzen, gab es einige. Doch noch nie ist die Vernetzung so unkompliziert, unprätentiös verlaufen wie beim Projekt "Wechselstube". Im Visier der gemeinsamen Präsentation: zeitgenössischer tschechischer Kunst.
Drei Monate Vorlaufzeit, gute Verbindungen zur Prager Galerie Display und viel Charme haben Kristina Fistr und Kathrin Sohn genügt, um dem ostasiatischen WM-Fieber eine Tschechien-Begeisterung entgegenzusetzen. "Öfter begegnet man in der deutschen Kunstlandschaft tschechischer Kunst, nur immer vereinzelt", sagen die Gründerinnen des Kunstvereins Stuttgart 22. e. V. Darum sind bei "Wechselstube" gleich fünfzehn tschechische Kunstpositionen zu sehen - verteilt auf sechs Off-Spaces.
Jan Kotík zeigt in
der Oberwelt aus Militärspielzeug gebastelte Miniatur-Haushaltsgeräte,
und Tomas Svoboda ein aus Plastikmaterialien und Alufolie improvisiertes
Autoersatzteillager. Nicht
weit entfernt zeigt der ausstellungsraum Fotografien von Zbynek Baladrán,
die Gemälde mit Miniatur-Landschaften vereinen.
Jan Mansuska präsentiert
im Stuttgarter Kunstverein aus Plastiktüten, Papier und Seifen hergestellte
puppenartige Küchen und Schrebergärten.
Auch wenn man sich hüten
sollte, Etiketten für die Kunst eines Landes zu suchen, so scheint
der Charme des Provisorischen ein beherrschendes Thema der Prager
Kunstszene zu sein. Wie
im Atelier Unsichtbar, im Verein für Flüssigkeiten und Schwingungen
und im Werkstattkeller Eigen=Art zu sehen ist, können die tschechischen
Künstler aber auch mit Fotoapparat und Videokamera umgehen.
Einer der beeindruckendsten
Künstler: Jasper Alvaers. Seine sämtlich in gelben Pullis und
unter derselben Langhaar-Perücke steckenden Personen führen witzig-ironisch
vor, dass die typische Tschechin ein konstruiertes Klischee ist.
Stuttgarts Publikum nahm
die Aufforderung zum Kulturaustausch begeistert an. Auch wenn der am Vernissagen-Abend
zwischen den Locations verkehrende
Shuttle-Bus länger
auf sich warten ließ, eine Performance kurzerhand verlegt wurde und
die Band Fight Club nicht in Beatles-Manier auf dem Dach, sondern im Wintergarten
des Ateliers Unsichtbar spielte, darf die charmant improvisierte Low-Budget-Aktion
als beispielhafter Erfolg gelten.